Rechtstipp: Maschendrahtzaun reloaded

HALLO präsentiert: die Rechtskolumne

Regelmäßig beziehen die Anwälte der Kanzlei Friedrich, Westhus-Wedig & Coll. im HALLO Magazin Stellung zu aktuellen Rechtsfragen. Dieses Mal widmet sich Rechtsanwalt Dr. Carsten Hoth dem Thema „Immer Ärger mit den Nachbarn“:

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Was wäre das Leben doch schön, wenn es den bösen Nachbarn nicht gebe. Sie kennen diesen Typen, der aus Hausnummer 10, der nie grüßt, nie grillt, morgens keine Brötchen holt, keine Kinder hat, allenfalls am Wochenende mal Damenbesuch bekommt und so völlig anders ist als der Rest der Straße. Im Regelfall geht man sich aus dem Weg, aber das funktioniert nicht immer (und nach unserem Eindruck immer öfter nicht). Dann muss die Justiz ein Machtwort sprechen.

Streit um Heckenhöhe

In einem aktuellen Fall stritten sich zwei Nachbarn wegen einer Hainbuchenhecke auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Der eine behauptete, sie verschatte sein Grundstück, der andere meinte, verschattet sei einzig der Nachbar. Der fuhr daraufhin schweres Geschütz auf in Gestalt des Nachbarrechtsgesetzes von Nordrhein-Westfalen, das lediglich eine Hecke in „ortsüblicher Höhe“ erlaubt. Im konkreten Fall waren dies 1,80 Meter. Da aber Hecken die Eigenschaft haben, im Frühjahr in die Höhe zu schießen, verlangte der Kläger von seinem Nachbarn, er möge die Hecke bereits im Herbst so zurecht stutzen, dass diese im nächsten Frühjahr und Sommer die zulässige Maximalhöhe von 1,80 Meter nicht überschreitet. Dem Landgericht ging dies dann doch zu weit: Pflanzliche Wachstumsschübe sind nicht vorhersehbar, weshalb nur ein Grundstückseigentümer mit prophetischen Fähigkeiten seine Pflanzen so weit zurück schneiden kann, dass sie im nächsten Sommer eine bestimmte Höhe nicht überschreiten werden.

Zulässigkeit des Musizierens zu unterschiedlichen Tageszeiten

Viel Beachtung fand eine Entscheidung des BGH vom 26. Oktober dieses Jahres. Die Kläger bewohnen ein Reihenhaus, nebenan ein Berufsmusiker, der täglich stundenlang versucht, sein Trompetenspiel zu optimieren. Die Besonderheit dieses Falles lag daran, dass die Kläger kaum etwas hörten, wenn der Musiker im Dachgeschoss übte, allerdings sehr deutlich die Geräusche auch in den Wohn- und Schlafräumen zu vernehmen waren, wenn im Wohnzimmer musiziert wurde. Der BGH setzt sich sehr grundsätzlich mit der Frage der Zulässigkeit des Musizierens zu den unterschiedlichen Tageszeiten auseinander. Ganz allgemein kann man festhalten, dass dann, wenn durch das Musizieren lautere oder lästigere Einwirkungen und damit eine stärkere Beeinträchtigung der Nachbarn einhergeht, diese ggf. auf wenige Stunden wöchentlich beschränkt werden muss. Sollte die Belästigung diese Höhe nicht erreichen (etwa wie in dem entschiedenen Fall durch Nutzung des Raumes im Dachgeschoss), so ist jedenfalls eine Begrenzung auf drei Stunden werktäglich (und eine geringere Zeit an Sonn- und Feiertagen) notwendig. Am Ende sind dies aber auch nur Eckpunkte; entscheidend kommt es immer auf den Einzelfall an, insbesondere das Ausmaß der Lärmbelästigung.

Es kommt auf den Einzelfall an

Rechtliche Auseinandersetzungen gibt es in der zunehmend säkularisierten Welt auch immer wieder um Glockengeläut. Typisch in solchen Fällen ist, dass ein neuer Grundstückseigentümer sich an dem werktäglichen Glockengeläut stört, das eine lange Tradition hat. Im konkreten Fall wurde zweimal täglich, um 11 und 19 Uhr, für zweieinhalb Minuten die Tradition gepflegt. Allerdings: die Glocke hängt in einem offenen Glockenturm und dadurch überschreitet das Glockengeläut den für Dorfgebiete zulässigen Lärmpegel. Die Eigentümer verlangten von der verantwortlichen Gemeinde, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden und sie keinen Geräuschen von über 60 db(A) ausgesetzt werden. Zu Unrecht, entschied das OLG Karlsruhe am 3. Oktober dieses Jahres. Eine wesentliche Beeinträchtigung, die Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch wäre, liege nicht vor. Und angesichts der immer zur gleichen Zeit und nur kurzzeitig eintretenden Geräusche könne sich der betroffene Nachbar darauf einstellen. Die Entscheidung zeigt sehr schön, dass selbst die Überschreitung der gesetzlich geregelten Grenzwerte nicht zwingend zu einem Unterlassungsanspruch führt. Es kommt, wie Juristen so gerne sagen, immer auf den Einzelfall an.
Und bevor Sie jetzt gleich zum nächsten Gericht laufen, um dem Nachbarn mal zu zeigen, wo der Hammer hängt: In Nordrhein-Westfalen muss einem gerichtlichen Verfahren eine außergerichtliche Schlichtung vor einer Schiedsperson vorgehen, ansonsten ist die erhobene Klage schon unzulässig.

Dr. Carsten Hoth

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