Texasgurte aus der Badeanstalt

HALLO-Redakteur Ewald Kremer taucht ab in Kindheitserinnerungen

Eine Glosse von HALLO-Redakteur
Ewald Kremer

Kennen Sie das auch? Ein unscheinbares Ereignis katapultiert einen weit zurück in die Tiefen der Vergangenheit. Neulich am Brötchenwagen passierte mir so etwas. „Möchten Sie noch etwas Remoulade auf die Laugenstange“, wollte die freundliche Verkäuferin wissen. „Ja, aber wirklich nur ein bisschen, das wandert sonst direkt auf meine Hüften“, antwortete ich. Und plötzlich hatte ich den Geschmack von Pommes mit Mayo und einen Hauch von Chlor auf der Zunge.

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Die Geschmacksverwirrung stammt aus einer Zeit, als man Spaßbäder noch Badeanstalten nannte. Zum Besuch derselbigen gehörte damals nicht nur die Arschbombe vom Dreier. Wenn man mit blau bibbernden Lippen und leuchtenden Augen aus dem „Schwimmer“ kam, stellte man sich ungeduldig am Büdchen für eine Pappschale mit Fritten an. Stets fiel mindestes ein Stäbchen auf Arm oder Schenkel. Doch das scherte uns nicht, die Pommes wurden aufgeklaubt, die Mayo mit dem Finger aufgewischt und – nun vermählt mit den Wassertropfen auf der Haut – in den Mund gesteckt.

Wenn man noch 30 Pfennige übrighatte, konnte man diese in fünf Brausebonbons, ein Nappo und zwei Texasgute investieren. Letzteres waren ca. 60 cm lange Lakritzstreifen. Damit machten die Coolsten unter uns bizarre Übungen – einmal in voller Länge herunterschlucken und dann wieder herausziehen. Brrr! Badeanstalten gibt es in dieser Form nicht mehr; die originalen Texasgurte auch nicht. Wenn man Vintage-Süßigkeiten googelt, findet man aber ein holländisches Remake. Das habe ich jetzt bestellt – für den nächsten Besuch in der Badeanstalt.

(aus HALLO Borken 08.2020)

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