COESFELD/BORKEN. Borkens Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing wirkte fast ein bisschen neidisch: „So viel Gegend ohne Höfe gibt es in Borken nicht, daher können wir kein Vorranggebiet für Windkraft ausweisen“, bedauerte sie anlässlich des heutigen Spatenstichs zum neuen Windpark im Letter Bruch. Hier haben sich mehrere Partner zusammengefunden, um einen Windpark bestehend aus 13 Energieanlagen zu errichten, der seinesgleichen in NRW sucht. Darunter sind auch die Stadtwerke aus Borken und Coesfeld mit ihrem Gemeinschaftsbetrieb Emergy.
Die Räder werden bis zu 206 Meter Rotorenhöhe erreichen und produzieren jährlich rund 125 Millionen kWh sauberen Strom. „20 Umdrehungen eines Rades reichen, um einen Tesla voll aufzuladen“, brachte Marco Lange, Unternehmenssprecher der Firma Siemens Gamesa ein anschauliches Beispiel. Die Kraftwerkbauer sind eigentlich mehr im Offshore-Geschäft und an den deutschen Küsten unterwegs. In Lette kooperieren sie unter anderem mit der Bürgerenergiegesellschaft Letter Wind bestehend aus 15 Landwirten, dem Turmlieferant Max Bögl Wind AG und der Firma SL Natur-Energie aus Gladbeck, die bereits zahlreiche Windkraftanlagen projektiert hat.
Deren Geschäftsführer Klaus Schulze Langenhorst betonte die lokale Verwurzelung, die Grundlage für die große Akzeptanz in der Bevölkerung war. „Vor 20 Jahren hätte es sicher mehr Widerstand gegeben“, wies er auf den gesellschaftlichen Gewöhnungsprozess hin. „Die Zusammenarbeit in Coesfeld war von Anfang an sehr gut.“ Grundstückseigentümer, Stadtwerke und Banken zögen mit. „Und bald können sich auch die Bürger beteiligen“, sagte er. Letztere könnten ca. fünf Millionen von den insgesamt 90 Millionen Euro Investitionskosten aufbringen – bei Renditen von vier bis sechs Prozent.
Emergy Geschäftsführer Ron Keßeler hatte zuvor die Dimensionen des Windparks eingeordnet, der zu den größten landesweit gehört: „Wir liegen bereits jetzt bei 52 Prozent regenerativ erzeugtem Strom. Mit dem Bau der 13 Windräder werden wir auf über 100 Prozent für Coesfeld kommen. Die neuen Windräder allein können 40.000 Haushalte mit Strom versorgen“, erläuterte Keßeler und kündigte die Direktvermarktung des in Lette erzeugten Stroms sowie regionale Produkte für die Bürger an.
Wie Schulze Hessing lobte auch Coesfelds Bürgermeister Heinz Öhmann die Initiative überschwänglich. „Das Potential ist riesig. Die neuen Windräder haben eine fünfmal höhere Ertragskraft als die alten Anlagen auf unserem Stadtgebiet. Von der Wertschöpfung profitieren nicht nur die Projektpartner, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger, die sich an den Windenergieanlagen beteiligen könne. Dieses Projekt ist in verschiedenster Weise innovativ, technologisch, in Bezug auf den Klimaschutz wie auch interkommunal“, sagte Öhmann.
Auch an den Naturschutz wurde gedacht. „Die Artenschutzauflagen sind eh immens hoch. Im Vorfeld wurden im Münsterland Vögel mit Sendern ausgestattet, um ihre Flughöhen zu testieren“, berichtete Klaus Schulze Langenhorst. Resultat: Greifvögel wie der Bussard oder der Uhu würden auf der Jagd nicht über 60 bzw. 40 Meter hoch fliegen. Die Rotorenblätter drehen sich in entsprechenden Abständen über dem Boden. „Wir können einen Konflikt nicht ausschließen, aber meist machen die kleineren Anlagen Probleme“, so der Experte.
Aktuell sind bereits etliche Fundamente gegossen. Danach geht es Schlag auf Schlag weiter. 2021 sollen die ersten Windräder ans Netz gehen, 2022 der komplette Windpark fertiggestellt sein. (kre)