Reise durch’s Whiskey-Regal

HALLO-Redakteur Ewald Kremer stößt mit einem kleinen Schluck auf den Corona-Lockdown an

Eine Glosse von HALLO-Redakteur
Ewald Kremer

Die Gedanken sind frei! Kann man auch derzeit nicht mit Auto, Schiff oder Flugzeug verreisen, die Fantasie kennt keine Reise-Beschränkungen. Der Blick schweift über das gut sortierte Spirituosenregal im Hobbyzimmer und das Kopfkino beginnt zu arbeiten. Zur Unterstützung schenke ich mir einen kleinen Whiskey ein. Warum wundert es mich nicht, dass mein erstes Reiseziel Sean’s Bar in Irland ist?

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Das Lokal in der Kleinstadt Athlone bildet nicht nur den geografischen Mittelpunkt Irlands (jedenfalls fast), sondern beansprucht für sich, die älteste Bar in Irland, ja der ganzen Welt zu sein. Bei Renovierungsarbeiten Anfang 1970 fand man tatsächlich Teile eines alten Lehmbauwerkes aus dem Jahr 900 sowie Münzen. Das langte, um 2004 offiziell ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen zu werden – mit Angabe von archäologischen Beweisen und Datierungen.

Muss man nicht wissen. Aber HALLO! Was man kennen sollte, ist der Whiskey aus Sean’s Bar. Er heißt der Einfachheit halber genauso wie die Bar und ist ein Blended Whiskey, also ein Verschnitt von Erzeugnissen aus diversen unabhängigen Destillerien. Und was für einer! Mein Freund Wolfgang hat mich quasi an die Flasche gebracht. Also nicht grundsätzlich, sondern nur an diese spezielle. Er war schon vor Ort und teilt die Leidenschaft für das Stöffchen.

Fiel nicht eben das Wort Guinness? So ein Whiskey stillt ja keinen Durst, also mache ich mir dazu ein weltweit vertriebenes Stout irischer Herkunft auf. Im Regal neben Sean’s Bar Whiskey steht übrigens ein Connemara Peated Single Malt. Ist auch Irland, aber schmeckt mit seiner Rauchnote eher nach Schottland. Ich schenke mir ein Gläschen ein. Der Blick wandert über die zerklüfteten Berge um Clifden, die rauen Moor- und Heidelandschaften. Der Single-Malt schickt den Geruch von Torffeuer auf meine Zunge. Ich höre Fiddle, Bodhran und gälischen Gesang. Herrlich!

Wo wir schon mal nach Schottland hinübergelinst haben. Ich habe doch letztens noch einen Glenfiddich im Keller entdeckt. Der stand da hinter Mariacron und Napoleon und muss mittlerweile Asbach uralt sein. Ein Tröpfchen zu Probe?! Ja, das schmeckt doch eher nach Grab- als nach Brennkammer. Schnell ein Schluck Guinness hinterher.

Die Geschmacksnerven beruhigen sich, der Kopf ist eh schon im ultimativen Entspannungsmodus. Die Gedanken wandern ab zur Palace Bar in Dublin. Dort trank ich meinen ersten Redbreast. Einen 12 Jahre alten Single Pot Still Irish Whiskey von der Midleton Distillery. Kenner schreiben ihm „fruchtige Aromen von Malz und Sherry“ zu. Milder Honig träfe hier auf vielfältige Gewürze und Früchte. Im sehr langen Abgang schmecke man Beeren. Ich finde ihn einfach nur lecker. Und wie es der Zufall will: Ich habe ihn im Regal stehen. Das wird dann wohl der Abschluss meiner virtuellen Whiskey-Reise – mit einem ganz, ganz langen Abgang…

PS. Das nächste Mal geht es in den Süden Europas. Ich habe noch Ouzo aus Griechenland, Raki aus der Türkei, einen Obstler aus Österreich, Sambuca aus Sizilien und Limoncello vom Lago Maggiore im Regal stehen.

PPS. Bevor sich jemand über die „Lobhudelei des Alkoholkonsums“ aufregt. Es handelt sich hier um eine Glosse, also einen satirischen Text, den man nicht für voll nehmen sollte.

(aus HALLO Zuhause 03.2020)

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