„Ich liebe das Original“

In seiner Tätigkeit als Pfarrer, Seelsorger und Religionslehrer hat Nikolaus Ottmann in über fünf Jahrzehnten zu tausenden Menschen gesprochen. HALLO-Redakteurin Verena Rickert besuchte den 78-Jährigen ein Jahr nach seinem goldenen Priesterjubiläum und sprach mit ihm über die Aufbrüche in der Kirche sowie die Freude an der Kunst und dem Schreiben.

Zu Besuch bei… Nikolaus Ottmann

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Borken. Wenn man das Haus von Nikolaus Ottmann betritt, eröffnet sich einem eine Welt der buntesten Farben und Formen aus über 150 Jahren Kunstgeschichte. Vom Flur und dem Wohnzimmer, über das Treppenhaus bis hoch zum Arbeitszimmer gibt es kaum einen freien Fleck an der Wand. So gleicht das Haus des emeritierten Pfarrers mit derzeit insgesamt 88 Kunstwerken einer Galerie des stilistischen Facettenreichtums. „Zu jedem der Bilder könnte ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen“, berichtet mir Nikolaus Ottmann, strahlt dabei über das ganze Gesicht und man spürt sofort seine große Leidenschaft für die Kunst. „Zwar ist nichts Wertvolles dabei – die Bilder sind zum Teil Geschenke der Maler selber, stammen aus Haushaltsauflösungen, vom Trödelmarkt oder diversen Ausstellungen – doch jedes Bild hat für mich einen ganz eigenen, besonderen Wert. Ich liebe einfach das Original – an anderen und an mir selber“, so der 78-Jährige, während er im Wohnzimmer neben einem großen Flügel Platz nimmt, an dem er im weiteren Verlauf des Gespräches noch ein Stück für mich spielen wird – „aber ausschließlich für den Hausgebrauch“, wie er selbst sagt.

Konfrontation mit der Realität

Ich bin überrascht darüber, wie kreativ und vielseitig interessiert der Borkener ist, hatte ich doch erwartet, dass sich der Besuch bei ihm hauptsächlich um seine über 50-jährige Tätigkeit als Priester drehen würde. Geboren 1941 in Magdeburg, ging es für Nikolaus Ottmann nach seiner Priesterweihe 1968 im Dom zu Münster für drei Jahre als Kaplan nach Oelde. Von 1971 bis 2006 war er als Religionslehrer und Pfarrer am Berufskolleg Borken mit Gymnasialer Oberstufe tätig und gleichzeitig Subsidiar in der Propstie-Pfarre St. Remigius. Von 2006 bis 2015 stand Nikolaus Ottmann als Pfarrer im Gemeindedienst in St. Remigius, seit 2016 ist er Pfarrer em. in Borken. „Es waren die überzeugende religiöse Erziehung meines Elternhauses, das aussagekräftige, christliche Zeugnis meines Mathematiklehrers am Gymnasium sowie vor allem die Aufbrüche des Zweiten Vatikanischen Konzils, die mich dazu bewogen, mich in den Dienst Gottes zu stellen“, erzählt Nikolaus Ottmann, der die Entscheidung, sich zum Priester weihen zu lassen, niemals bereut hat. So verrät er mir zudem, dass er sich bei kritischen und ungläubigen Menschen besonders wohlfühlt, „weil sie mich mehr herausfordern“, erläutert der aktive Pfarrer em., und teilt mir mit, dass er gerne an viele kontroverse Diskussionen mit nicht kirchenfreundlichen Kollegen zurückdenkt. „Die Zeit am Berufskolleg habe ich vor allem als Konfrontation mit der Realität wahrgenommen“, erinnert sich der ehemalige Lehrer.

Kirche braucht Veränderung

Gleichzeitig betont Nikolaus Ottmann, dass sich seiner Meinung nach in der Institution Kirche dringend etwas ändern muss. „Der Machtmissbrauch, die Entkoppelung des Priesteramtes und des Zölibats, die Stellung der Frauen in der Kirche und eine Erneuerung der Sexualmoral auf Stand der neuesten Humanwissenschaften – das sind alles Punkte, die es zu überdenken gilt. Diese Aufbrüche haben mein Leben geprägt, sind aber nach wie vor noch nicht umgesetzt“, stellt der katholische Seelsorger hervor und ergänzt: „Durch den Missbrauchsskandal hat die Kirche in Personal und Lehre zudem einen extremen Vertrauensverlust erlitten. Diese Fälle müssen umgehend strukturell und lehrmäßig aufgearbeitet werden.“

Die Freude an Worten und Kunst

Zwar hat sich das bekannte Borkener Gesicht niemals zugetraut, selbst zu malen, doch das Spiel mit den Worten fiel Nikolaus Ottmann beim Reden und Schreiben schon immer leicht. Und das nicht nur während des Unterrichts oder im Rahmen der unzähligen Predigten, die er in der Kanzel zahlreicher Kirchen gehalten hat. So schreibt Nikolaus Ottmann seit vielen Jahren Gedichte und hat zudem seine Gedanken zum Glauben aus mehr als 20 Jahren unter anderem in kleinen Schriften sowie in dem Buch „Labyrinthgedanken für Pilger, Suchende und Mutige“ zusammengefasst. Dieses veröffentlichte er passend zu seinem goldenen Priesterjubiläum im vergangenen Jahr, mit der Intention, Menschen hierdurch zum Innehalten und Entschleunigen anzuregen. In den vergangenen Wochen hat Nikolaus Ottmann zahlreiche Kunstmuseen besucht und war dabei auch auf Kunstreise in Lübeck und Wismar unterwegs, um sich einen Eindruck von der Hochblüte der deutschen Bauhauskunst zu machen. So bereitet der begeisterte Kunstfreund aktuell den Vortrag „Impulse zur Religion aus dem Bauhaus“ vor, den er am 25. November (Montag) um 19.30 Uhr, in der Familienbildungsstätte, Am Vennehof 1, halten wird und zu dem er alle Interessenten herzlich einlädt. (vr)

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