„Ich bin Fan von klarer Kommunikation“

„Borken“ – so der Titel des ersten Kapitels des Debütromans „Das Leben ist eins der Härtesten“ von Giulia Becker, den HALLO-Redakteurin Verena Rickert zum Anlass nahm, um mit der bekannten Nachwuchsautorin über den Handlungsort ihres ersten Buches, absurde Alltagsmomente und mutigen Humor zu sprechen.

Borken. Spätestens, seitdem Giulia Becker im Dezember 2016 im „Neo Magazin Royale“ von ZDF Neo ein Lied über ihre Scheide gesungen hat („Verdammte Sche*de“, das Video zum Song wurde bei „Youtube“ inzwischen rund eine Millionen Mal gesehen), ist die deutsche Autorin, Fernsehmoderatorin und Musikerin vielen Menschen ein Begriff. Die Resonanz auf den provokanten Song der einzigen Frau im Autorenteam von Jan Böhmermann war überwältigend und ist inzwischen zu einer Hymne für einen modernen, unverkrampften Feminismus geworden. Giulia Becker singt von ihrem Redaktionsalltag, darüber, dass sie nicht zeigen kann, was in ihr steckt und sie stellt fest, dass sie nur eine Sache von den männlichen Kollegen unterscheidet: nämlich ihre Scheide.

„Borken ist ein Sinnbild für das kleinstädtische, manchmal schon unangenehm familiäre Umfeld, aus dem ich selber komme.“

Giulia Becker
- Anzeige -

Nach der Veröffentlichung des Liedes wurde der gebürtigen Bürgerin „eines Dorfes hinter der Kleinstadt Siegen“ sogar eine eigene Show im Fernsehen angeboten – doch Giulia Becker entschied sich dazu, sich vorerst weiterhin dem Schreiben zu widmen. Und so ist Ende März dieses Jahres ihr erstes Buch „Das Leben ist eins der Härtesten“ erschienen, das direkt mit dem Debütpreis des Internationalen Literaturfestes „LitCologne“ ausgezeichnet wurde. Spätestens jetzt sollten alle Borkener und Leser aus der Region hellhörig werden: denn das erste Kapitel von „Das Leben ist eins der Härtesten“, einer grandiosen Geschichte voller Wärme und Humor, mit wunderbar wundersamen Charakteren, trägt den Titel „Borken“ – und tatsächlich spielt unsere Kreisstadt in Giulia Beckers Debütroman eine große Rolle.

HALLO: Frau Becker, sie kommen aus der Nähe von Siegen, leben und arbeiten in Köln – und so brennt mir eine große Frage unter den Nägeln: Warum haben Sie ausgerechnet unsere beschauliche Kleinstadt Borken als Handlungsort Ihres ersten Romans ausgewählt? Und wie ist Ihr Bezug zu Borken? Waren Sie bereits hier und falls ja, was haben Sie unternommen und wie hat es Ihnen hier gefallen?

Giulia Becker: Ich wünschte, ich könnte eine ausgefallenere Antwort geben, aber: Es ist purer Zufall. Ich habe bei Google Maps geschaut, was für Kleinstädte es (neben meiner Heimatstadt) in NRW sonst noch so gibt. Und irgendwie bin ich bei Borken hängengeblieben. Die Stadt wird im Buch aber zum größten Teil nicht beschrieben, wie sie wirklich ist, viel mehr ist sie ein Sinnbild für das kleinstädtische, manchmal schon unangenehm familiäre Umfeld, aus dem ich selber komme. Ich war zum ersten Mal in Borken, als es das Buch schon gab, nämlich zu Gast in Eva Schulz‘ Podcast „Deutschland 3000“. Die kommt ja auch aus Borken und als sie im Buch gelesen hat, dass die Geschichte in ihrer Heimat spielt, hat sie sich direkt ganz aufgeregt gemeldet und mich eingeladen, die Stadt mit ihr zu erkunden. Wir hatten dann einen tollen Nachmittag am Borkener Bahnhof und sind um diverse Kreisvekehre gefahren, und ich muss schon sagen, die Kreisverkehre in Borken haben mir nachhaltig imponiert.

Beim Lesen Ihres Buches habe ich oft Tränen gelacht: nahezu jeder Satz ist ein echter Knaller, man hat das Gefühl, dass Sie für Ihre Geschichte monatelang im Alltag Ihre Mitmenschen beobachtet und die kuriosesten Situationen zu einer unglaublich ehrlichen Erzählung zusammengefasst haben. Wie viel Prozent aus Giulia Beckers wahrem Leben steckt in Ihrem Roman? Welcher absurde Moment hat Sie am meisten geprägt?

Giulia Becker: Natürlich steckt da eine Menge von mir drin, ich habe es ja geschrieben. Ich würde von mir behaupten, dass ich sehr aufmerksam durchs Leben gehe, Menschen und ihre Eigenarten schnell lesen kann. Dann gehört natürlich viel Phantasie dazu, Geschichten zu spinnen. Das allermeiste im Buch ist erfunden. Hier und da gibt es bei Personen bestimmte Verhaltensweise oder auch Geschehnisse, die so oder so ähnlich wirklich mal passiert sind, aber grundsätzlich habe ich versucht möglichst weit von mir weg zu schreiben. Es macht mir einfach großen Spaß, Geschichten zu erfinden.

Ihr Humor ist direkt, provokant, aufrichtig und einfach ansteckend. Sie reden nicht lange um den heißen Brei herum, sondern bringen in Ihren Texten und Liedern Ihre Meinung zu den Problemdiskussionen unserer Gesellschaft kurz und knapp auf den Punkt. Wurde Ihnen diese Art der Komik in die Wiege gelegt und sind Sie immer schon so selbstbewusst und mutig nach vorne geprescht?

Giulia Becker: Ich glaube, man sollte künstlerisches Schaffen nicht mit Selbstbewusstsein verwechseln. Ich bin wahrscheinlich die letzte Person, die bei dem Thema Selbstbewusstsein als Vorbild dienen kann. Ich versuche aber andere Mädchen und Frauen zu ermutigen, damit sie irgendwann nicht die gleichen Kämpfe kämpfen müssen, wie ich selbst– innerlich, aber auch im beruflichen Umfeld. Die Dinge, die ich sagen will, bringe ich gern direkt auf den Punkt. Ich bin Fan von klarer Kommunikation.

Derzeit sind Sie auf Leserreise. Wie geht es danach weiter – werden Sie sich wie die Charaktere Ihres Buches vielleicht im Rahmen eines Urlaubes in „Tropical Island“ erholen?

Giulia Becker: Die Lesereise wird Anfang August noch um Zwei Festivals erweitert, aber jetzt freue ich mich erstmal auf den Urlaub. Diesmal muss ich auch kein Buch schreiben, sondern kann wirklich Urlaub machen. Und zu Tropical Islands geht es dieses Jahr auch noch– meine Lektorin hat mir zur Buchpremiere einen Gutschein geschenkt. Den werde ich allerdings erst einlösen, wenn es draußen grau und regnerisch ist, dann gönne ich mir zwei Tage Auszeit unter Palmen.

Frau Becker, vielen Dank für das Interview.

Weitere Artikel

[td_block_15]