Gedanken zum Home Office

Deutschland diskutiert die Heimarbeit. Also nicht die altbackene Version der 80er Jahre, als man darunter das Zusammenschrauben von Kugelschreibern, Tütchenkleben und Auftragsnähen verstand. Auch nicht die moderne Form: also Umfragen beantworten, merkwürdige Produkte testen, bloggen, influencen und Klamotten auf Muttikreisel verkloppen. Deutschland redet von richtiger Büroarbeit, die man aber nicht im Büro sondern daheim am Küchentisch erledigt. Davon soll es mehr geben, um in Coronazeiten die Kontakte einzuschränken. Und das ist richtig so.

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Eine Glosse von HALLO-Redakteur Ewald Kremer

Deutschland diskutiert aber auch, ob es ein grundsätzliches Anrecht aufs Homeoffice geben soll. Und das weist definitiv in die Zeit nach der Pandemie. Müssen wir uns auf eine komplett neue Arbeits- und Lebenswelt einstellen? Noch haben die meisten Deutschen keine abschließende Meinung zu diesem Thema gefunden. So antworten etwa 50 Prozent auf die Frage, warum sie das Home Office nicht mögen: „Weil man keine Kollegen mehr trifft“. Auf die Frage, warum sie das Home Office gut finden, sagen ebenfalls 50 Prozent: „„Weil man keine Kollegen mehr trifft.“

Das beschreibt gut das Dilemma. Deutschland ist in puncto Heimbüro zwiegespalten und ich bin es auch. Natürlich fehlt einem der Besserwisser aus Zimmer drei nicht und man ist froh, den Nervknödel aus dem Marketing mit seinen Denglisch-Sprüchen nicht mehr ertragen zu müssen. Auch die meist übellaunige Kollegin aus dem Personalbüro vermisst man nicht sonderlich, geschweige denn den Arschkriecher aus der Entwicklungsabteilung. Aber vielleicht fehlt einem doch die Sekretärin, die immer mal wieder Selbstgebackenes in die Teeküche stellt. Oder der freundliche Brummbär aus der EDV, der mit Nonchalance die signalroten aber kryptisch anmutenden Buchstaben auf dem Bildschirm löscht. Oder die gute Fee aus dem Vertrieb, die stets Taschentücher, Teebeutel und gute Tipps parat hat.

Weitere gute Argumente für die Arbeit im Büro: Hier kocht immer irgendjemand Kaffee. Man kann Beschäftigung vortäuschen oder Arbeit delegieren. Man wird nicht zum online-Shopping verführt. Man muss keine Tapeten kleben und keine Wände streichen. Und bei der Videokonferenz laufen keine Katzen durchs Bild, man ist auch unterhalb der Taille ordentlich gekleidet und niemand ruft mit kindlicher Inbrunst „Fertig!“ vom Klo.

Aber es gibt natürlich auch sehr gute Argumente für den Heimarbeitsplatz. Hier klaut niemand Kugelschreiber und Spiralblock, Schere und Aktenlocher. Und wenn doch, findet man das Diebesgut garantiert im Kinderzimmer wieder. Die Kleidung wird weniger stark abgenutzt, alternativ lassen sich Jogginghosen von der Steuer absetzen. Unter Umständen ernährt man sich auch gesünder, weil man für die Familie frisch kochen muss. Niemand sieht, wenn man in der Nase bohrt. Man darf jederzeit seinen Hund streicheln (Machen Sie das mal mit den Kollegen!) Und nebenbei kann man immer mal wieder kontrollieren, ob der selbstgemachte Eierlikör schon gut durchgezogen ist.

Sie sehen, das Für und Wider hält sich die Waage. Machen wir es doch mit der Arbeit genauso! Mal gehen wir ins Büro, mal bleiben wir im Home Office. Den Eierlikör nehmen wir einfach mit, der schmeckt überall gleich gut. (aus HALLO Borken 01.2021)

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